Sonntag, 24. Juni 2012

Gabana: Weit weg, gut und unklar

Die Überschrift ist ein wenig kryptisch. Das  steigert die Spannung auf die kommenden Zeilen. Dieses Mal waren die Prinzessin und ich in der „Hood“, wo sie aufgewachsen ist. Jenseits von Mitte in Schlachtensee. Für Zugezogene im Ostteil der Stadt: Das liegt in Zehlendorf kurz vor Wannsee. Wir waren im Gabana. Eine Mischung aus Restaurant, Kneipe und ein bisschen Cocktailbar, das sich - keiner bestimmten Küchenrichtung zuordnen lässt (=unklar). Es gibt die ganze Palette, die man unter der Überschrift Kneipenküche erwarten kann: Pizza, Burger, Nachos, Salate, Tapas. Der Inhaber hat libanesische Wurzeln, aber libanesisches Essen gibt es nicht. Einen etwas orientalischer Einschlag kann man allenfalls im Innenraum erkennen, der in warmen Farben gehalten ist und einen gemütlichen Eindruck macht. Da haben wir aber nicht gesessen, sondern draußen zum „Fussi“-Gucken. Da finden sich eine ganze Reihe Tische, die zwar an einer Straßenecke stehen, aber trotzdem sitzt man gut, da der Verkehr gering ist und die Plätze durch Pflanzen abgetrennt sind. Man kann sich dann das schöne weiße Gebäude angucken, in dem das Gabana untergebracht ist.
Das Essen war wirklich anständig. Das galt für meine Pizza (Farmer, hieß die glaube ich), die auf dem Holzbrett serviert wird, über einen tollen Teig verfügt und mit leckerer Salami und Pepperoni belegt ist. Doch vorsichtig: Sie ist mächtig scharf. Wenn man das - so wie ich – mag, dann wird man sehr zufrieden sein. Die Prinzessin hatte einen Spinatsalat mit lecker marinierten und gebratenen Fischwürfeln. Die Preise von 9 bis 11 Euro sind in Ordnung. Es ist halt nicht die billigste Ecke von Berlin, wo wir waren. Ein weiterer Mitgucker hatte einen Burger. Er war nicht 100 % begeistert, denn der Käse fehlte und die Pommes konnte man abzählen. Die Küche sorgte aber für Abhilfe. Der Wein – ich habe den Pinot Grigio probiert, ist zu empfehlen, wenn man einen leichten trockenen Sommerwein trinken möchte (0,2 l - 4,50 Euro). Den lässt man sich am besten von Ina servieren, der freundlichen Tierärztin, die im Gabana aushilft oder von Nicki, die regelmäßig an Donnerstagen im Service ist. Und als Mann sollte man auf jeden Fall einen Gang zum Klo machen: Der Eingang befindet sich – sehr ungewöhnlich – hinter dem Tresen.
Fazit: Aus Mitte muss man den sehr, sehr weiten Weg nicht auf sich nehmen. Aber wer im Südwesten wohnt, kann aus dem Gabana wunderbar sein „Feierabend-und-noch-eine-Kleinigkeit-essen“-Stammlokal machen.

 Im Internet leider nicht zu finden.

Sonntag, 17. Juni 2012

First Floor: Knappe Küchenkunst

Das Morgenpost-Menü machte es möglich: Ein Besuch im Sternerestaurant. Das First Floor findet sich im Herzen der City-West im Hotel Palace am Europacenter. Das war mal die erste Übernachtungsadresse bis Hotel de Rome, Adlon und Co. geöffnet haben und so richtig modern wirkt das Ganze nicht mehr. Das Restaurant wirkt etwas frischer, doch ist der Stil eher klassisch als modern, wofür die dunkle Holzvertäfelung geradezu symbolisch ist. Das gleiche gilt fürs Publikum. Es fühlt sich zu Hause, wer Ost-Berlin seit der Maueröffnung noch nicht gesehen hat und auch nicht nach Kreuzberg zu Hartmanns (hat auch einen Stern) fährt, weil er fest überzeugt ist, dass die neue E-Klasse dort mit Sicherheit in Flammen aufgehen wird.

Den Regeln des Morgenpost-Menüs entsprechend gab es fünf Gänge inklusive Weinbegleitung für läppische 60 Euro. Da wir (die Prinzessin und ich) durstig waren und auch nicht mit ganz schlechtem Gewissen speisen wollten, haben wir mit einem Gläschen Prickelndem angefangen. Ich wollte schon immer mal Pommery Rosé probieren. Schmeckt gut, aber 26,50 Euro für ein Gläschen ist schon eine klare Ansage. Dafür hätte ich hinterher noch 1,5 zusätzliche Grappa trinken können. Dagegen war das Mineralwasser mit 11 Euro schon fast günstig kalkuliert.

Blendet man Ambiente und Getränkepreise aus, ist von einem faszinierenden Essenserlebnis zu berichten. Das war mit das Beste, was ich je zum Munde führen durfte. Es folgten fünf Geschmackserlebnisse und jeder Gang für sich war optisch ein wunderschönes Kunstwerk, fast zu schade, um es einfach aufzuessen.  Schon der Gruß aus der Küche – dreierlei vom Stör – war eine Wucht und auf diesem Niveau ging es weiter: Brunnenkressesuppe mit Hummertartar; Makrele mit Gänseleber, Taube mit Schokosauce oder Sauerampfereis. Immer fanden sich mindestens ein halbes Dutzend unterschiedliche Bestandteile auf den Tellern. Ganz großes Kino und alles Dinge, die sich auch auf der regulären Karte befinden. Die dazu gereichten Weine standen dem Essen in nichts nach. Die passten hervorragend und waren von bester Qualität. Da gab es zum Beispiel einen Loire-Wein aus 2004  oder einen Burgunder aus 1999. Aber serviert wurde auch ein 2011er aus der Pfalz zum Spargelgang ganz am Anfang, einen Douro aus Portugal und ein trockener Sekt aus Italien, der den Nachtisch begleitete. Da wird das große Kino zum 3D-360° Erlebnis. Kaum erwähnenswert ist, dass auch das Brot nicht einfach Brot ist, sondern kleinste warme Brötchen in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen. Es gibt jedoch einen Wehmutstropfen: Die Portionen waren so winzig, dass der eigentliche Zweck der Nahrungsaufnahme, den Hunger zu stillen, komplett verfehlt wurde. Da auch kein Brot nachgereicht wurde, konnte auch dieses beliebte Mittel nicht zur Sättigung herangezogen werden. Prinzessin hat dann noch eine heiße Schokolade bekommen – serviert mit immerhin vier Sorten Zucker und 9 (!) unterschiedlichen Pralinen. Wenigstens ihr Magen knurrte danach nicht mehr.
Fehlt noch der Service, der natürlich absolut professionell und freundlich agierte. Da ich aus Mitte komme, hatte ich keinen Anzug an und auch auf die Nennung irgendwelcher akademischen Abschlüsse bei der Reservierung verzichtet. Böser Fehler. Das Personal sah sich deshalb dazu veranlasst, extra locker zu sein. Bei der Frage nach der Toilette, bekam ich die Antwort, dass dafür 50 Cent berechnet würden. Lustig. Optisch (in jeder Hinsicht) bin ich halt nicht Zielgruppe.
Der letzte Höhepunkt folgte beim Verlassen: Die Jacken waren vorgewärmt. Auch das habe ich so noch nicht erlebt. Die Prinzessin war begeistert.

Fazit: Große Küchenkunst für konservative Menschen mit unterdurchschnittlichem Hunger und Sinn für sehr guten Wein.